Ausländische Truppen in Deutschland während des Kalten Krieges
(Stand: Januar 2010)
Ein zentraler Faktor für die Entwicklung der beiden deutschen Teilgesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg war die Präsenz fremder Truppen in Ost- und Westdeutschland. Sie repräsentierten einerseits die Siegermächte und damit auch die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und andererseits symbolisierten sie die divergierende politische Entwicklung von DDR und Bundesrepublik und deren Einbindung in die Blockkonfrontation des Kalten Krieges. Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen politischen Implikationen ihrer Anwesenheit wurden den Truppen, im manichäischen Weltbild der Systemauseinandersetzung, auch grundsätzliche Unterschiede in ihren Beziehungen zur jeweiligen deutschen Teilgesellschaft attestiert.
Auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR und der Wiedererlangung der deutschen Einheit liegen zu diesem Aspekt der deutschen Nachkriegsgeschichte nur wenige quellengesättigte Einzelstudien und keine systematisch vergleichenden Untersuchungen vor. Ziel des Projektes war eine vergleichende Analyse des offiziell-propagandistischen, des institutionellen sowie des medialen und des privaten Umgangs mit der Anwesenheit fremder Truppen in der Bundesrepublik und der DDR, sowie den sich daraus ergebenden Konflikten, von der Mitte der fünfziger Jahre bis zur deutschen Einheit 1990. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die Truppenstationierung von USA und UdSSR, die mit Abstand die größten Truppenkontingente stellten und als Hegemonialmächte auch entscheidenden Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten hatten.
Folgende Leitfragen standen im Mittelpunkt des Interesses: Welches Image hatten die jeweilige Hegemonialmacht und ihre Soldaten in der deutschen Gesellschaft? In welchem Verhältnis stand der formale zum faktischen Rechtsstatus der Stationierungstruppen und welche Konsequenzen ergaben sich daraus für die Beziehungen zum Gastland? Wie gestaltete sich das Leben der fremden Soldaten, Zivilbeschäftigten und ihrer Familienangehörigen im geteilten Deutschland und in welchen offiziellen, institutionellen und privaten Beziehungen standen sie zu ihrer deutschen Umwelt? In welchem Verhältnis standen Freundschaftspropaganda, institutionalisierte Freundschaft sowie institutionelle Beziehungen und welchen Einfluss hatte dieses auf die Bearbeitung von Konfliktfeldern im Zusammenhang mit der ausländischen Militärpräsenz?
Ausgangspunkt der Analyse war zunächst eine universalhistorische Betrachtung der Phänomene Truppenstationierung und militärische Besatzung von der Antike bis zur Gegenwart. Dabei ging es zum einen um die Klärung der Begriffe und zum anderen darum, das mögliche Spektrum völkerrechtlicher Regelungen aufzuzeigen. Fragen nach der Funktion fremder Truppenpräsenz, der Beziehungen von autochthoner Bevölkerung und fremden Soldaten und schließlich nach deren Wahrnehmung im kollektiven Gedächtnis standen im Mittelpunkt des Interesses. Ihre Beantwortung sollte eine, über die Epoche des Kalten Krieges hinausreichende, historische Einordnung der Stationierungsgeschichte im geteilten Deutschland ermöglichen.
Im zweiten Schritt wurde dann entlang der genannten Leitfragen das deutsch-deutsche Untersuchungsfeld vermessen, um im dritten Schritt anhand des Standorts Bamberg (Regierungsbezirk Oberfranken) und der Region um Jüterbog (DDR-Bezirk Potsdam) die konkreten Beziehungen vor Ort nachzuzeichnen.
Ergebnisse:
* Seit 1955 handelte es sich weder bei der amerikanischen, noch bei der sowjetischen Truppenstationierung um eine militärische Besatzung im engeren völkerrechtlichen Sinn. Angesichts der weiter gültigen alliierten Vorbehaltsrechte und der offenkundigen Asymmetrien im Verhältnis beider deutscher Staaten zur jeweiligen Supermacht kann aber auch kaum von einer bloßen Truppenstationierung die Rede sein. Stattdessen lässt sich die Konstellation im geteilten Deutschland zwischen 1955 und 1990 im juristischen wie politischen Sinn wohl am ehesten als eine „Besatzung im weiteren Sinne“ charakterisieren.
* Die amerikanische und die sowjetische Truppenstationierung weisen neben einigen signifikanten Unterschieden auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Das betrifft das Spektrum von Berührungs- und Reibungspunkten mit der Bevölkerung, ebenso wie den formaljuristischen Status der fremden Truppen oder die stereotype wechselseitige Wahrnehmung. Die beiden konkreten Fallstudien lassen die Unterschiede dann jedoch umso drastischer zu Tage treten. Bei einem nahezu identischen Problemspektrum stellen sich Dauer und Intensität der Konflikte in Bamberg und Jüterborg, insbesondere der gesellschaftliche Umgang mit ihnen, grundverschieden dar.
In Bamberg wurden Missstände vor Ort offen und meist auch öffentlich benannt, was der erste und wahrscheinlich wichtigste Schritt hin zu einer gemeinsamen deutsch-amerikanischen Lösung war. Diese erwies sich zwar nicht immer und unmittelbar als zufrieden stellend, aber über kurz oder lang konnten hier praktisch alle Konflikte beigelegt werden. Dabei ist eine deutliche Besserung des Verhältnisses unverkennbar. So spielte ab Mitte der sechziger Jahre das Problem der Manöverschäden kaum noch eine Rolle. Seit den frühen siebziger Jahren gingen auch die Klagen über Lärmbelästigungen aus der Kaserne und deviantes Verhalten von US-Soldaten drastisch zurück. Für den Zeitraum nach 1990 lässt sich festhalten, dass die Bamberger Bevölkerung außerhalb des Kasernenviertels von der US-Garnison im Alltag praktisch gar nichts mehr bemerkt, da Soldaten oder Militärfahrzeuge im Stadtbild kaum noch präsent sind.
Im Raum Jüterbog muss demgegenüber von einer weitgehenden Kontinuität der Probleme gesprochen werden. Diese stellten sich im Vergleich zu Bamberg auch erheblich drastischer und zum Teil – denkt man an die Gefährdungen durch Schießübungen – im wahrsten Sinne des Wortes brisanter dar.
* Das Image der Hegemonialmächte und ihrer Streitkräfte wies deutliche Ambivalenzen auf. Während bei der Kriegsgeneration ein Gefühl der kulturellen Überlegenheit gegenüber den „materialistischen“ Amerikanern ebenso wie gegenüber den „unzivilisierten“ Russen verbreitet war, wurden die beiden Hegemonialmächte zu Leitbildern für die jeweilige deutsche Teilgesellschaft stilisiert. Erfolgte die Sowjetisierung vor allem als Herrschaftsdiskurs von oben, so war die „Selbstamerikanisierung“ der westdeutschen Gesellschaft mindestens genauso wichtig, wie die staatlich betriebene Bildungs- und Kulturarbeit. „Amerika“ wurde zum Leitbild bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen der vierziger und fünfziger Jahre, mit dem sich Begriffe wie Wohlstand, Demokratie und technischer Fortschritt verbanden. Das sowjetische Modell stellte sich demgegenüber als weit weniger attraktiv dar. Das blieb auch für die Wahrnehmung der fremden Truppen nicht ohne Folgen. Während sich die GIs als Botschafter des „American Way of Live“ und Wegbereiter eines allgemein anerkannten, demokratisch legitimierten Staatswesens, zumindest bis zum Ende der sechziger Jahre, bei der westdeutschen Jugend einer hohen sozialen Anziehungskraft erfreuen konnten, war dies bei den spartanisch lebenden sowjetischen Soldaten kaum der Fall. Dem von der sowjetischen Besatzungsmacht implementierten SED-Regime haftete bis zu dessen Ende der Ruch der Fremdbestimmung an. Folgerichtig wurden die sowjetischen Truppen von einem großen Teil der DDR-Bevölkerung eher als „Besatzer“, denn als Freunde und Verbündete betrachtet. In den Augen der Kriegsgeneration galt dies jedoch zunächst auch für die US-Soldaten, denen nach besonderen Vorkommnissen in Zeitungsartikeln und Beschwerdebriefen gern „Besatzermentalität“ vorgeworfen wurde. Dieser Vorwurf, so zeigt das Beispiel des Standorts Bamberg, wurde seit Anfang der sechziger Jahre, als funktionierende deutsch-amerikanische Kooperationsbeziehungen etabliert waren, praktisch nicht mehr erhoben. Das hing nun aber ganz entscheidend mit dem Verhältnis von formalem und faktischem Rechtsstatus zusammen.
Auch wenn in der Bundesrepublik wie in der DDR ähnliche Regelungen, Vorbehaltsrechte und Einschränkungen der deutschen Souveränität galten, erweist sich der Umstand, dass die Bundesrepublik, auch im Hinblick auf die stationierten Truppen, ein Rechtsstaat war, als entscheidender Unterschied. Im Westen wachten Behörden und eine kritische Öffentlichkeit aufmerksam darüber, dass die Rechtspraxis im Einklang mit den getroffenen Vereinbarungen stand. Demgegenüber schwächten die chronischen Legitimationsdefizite des SED-Regimes, verbunden mit einer maßlosen Überhöhung des sowjetischen Vorbildes, die Verhandlungsposition der DDR-Behörden gegenüber dem sowjetischen Hegemon nachhaltig. Dies begünstigte wiederum das nicht selten willkürliche Agieren der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland als Staat im Staat auf dem Territorium der DDR und die damit verbundene Missachtung geltender Verträge und der formal zugesicherten Souveränitätsrechte.
* Der besondere Rechtsstatus der stationierten Truppen spiegelte sich auch in den Lebensbedingungen wider. Für den Alltag der sowjetischen wie der übergroßen Mehrheit der amerikanischen Soldaten, Zivilbeschäftigten und Familienangehörigen war die Parallelexistenz, in von der deutschen Bevölkerung separierten Kasernen und Wohngebieten, prägend. Ausgestattet mit einer weitgehend eigenständigen Infrastruktur und einem rechtlichen Sonderstatus trugen sie den Charakter „primärer Stadtviertel“ , in denen die jeweiligen nationalen Lebensstile weitergepflegt wurden. Der Alltag an den Standorten wies jedoch auch mannigfache Berührungspunkte zwischen Deutschen und den fremden Truppen auf. Diese konnten privater, geschäftlicher, institutioneller oder offiziell-repräsentativer Natur sein. Im Umgang mit den amerikanischen beziehungsweise sowjetischen Soldaten und Zivilpersonen an den Standorten erwies sich Fremdheit immer wieder als ein Beziehungsverhältnis, das sich durch Nähe eher noch intensivierte, wurde so doch jenseits der offiziellen Rede über „unverbrüchliche“ Freundschaft die strukturelle Fremdheit – in Gestalt von Sprachbarrieren und Mentalitätsunterschieden – direkt erfahrbar. Für die meisten Soldaten beschränkte sich die Begegnung mit der deutschen Bevölkerung auf Sichtkontakte im öffentlichen Raum, z.B. in Gaststätten oder bei Veranstaltungen zur Würdigung der deutsch-amerikanischen, beziehungsweise deutsch-sowjetischen, Freundschaft. Die Möglichkeiten zur Bildung und Festigung persönlicher Kontakte waren sehr unterschiedlich. Während in der Bundesrepublik persönliche Kontakte und Freundschaften, Liebesbeziehungen und binationale Ehen zwischen Deutschen und amerikanischen Soldaten zur Normalität des Garnisonsalltages gehörten, und nicht selten, auch über die Dienstzeit der jeweiligen Soldaten in Deutschland hinaus, Bestand hatten, waren sie bei sowjetischen Soldaten und DDR-Bürgern eher die Ausnahme. Das lag neben der restriktiven Kontaktpolitik der GSSD auch an der geringen sozialen Anziehungskraft der Sowjetsoldaten. Dem entsprach auch die tendenziell gegensätzliche ökonomische Rolle der fremden Truppen für die Garnisonsstädte. Während die amerikanischen Soldaten vor allem als Konsumenten gefragt waren, bildeten ihre sowjetischen Kollegen ein Arbeitskräftereservoir auf das insbesondere die örtliche Landwirtschaft fast schon regelmäßig zurückgriff, um personalintensive Aufgaben erfüllen zu können.
* Im Gegensatz zum privaten Bereich zeigen sich im Bereich der offiziellen Beziehungen in propagandistischer Absicht beträchtliche Schnittmengen. Wohl am deutlichsten wird dies, bei der Einrichtung von Amerikahäusern und den vergleichbar ausgestatteten Häusern der deutsch-sowjetischen Freundschaft sowie bei der Durchführung der jährlichen Deutsch-amerikanischen Freundschaftswochen und der Monate der Deutsch-sowjetischen Freundschaft, die den Rahmen für gemeinsame Feiern, Diskussions-, Kultur- und Sportveranstaltungen bildeten. Doch während die Propagierung der deutsch-amerikanischen Freundschaft im Westen durch einen tendenziell unkritischen Blick auf die USA und ihre Streitkräfte gekennzeichnet war, blieb die Darstellung von Sowjetunion und Sowjetarmee in der SED-Propaganda fast bis zum Ende des Regimes durch maßlose ideologische Überhöhung sowie ausgesprochen doktrinäre und ritualisierte Züge gekennzeichnet. Für die an den sowjetischen Militärstandorten lebende deutsche Bevölkerung bestand daher zwischen dem Propagandabild vom „edlen Sowjetmenschen“ und den praktischen Erfahrungen im Garnisonsalltag eine kaum überbrückbare Kluft. Diese zeigte sich am deutlichsten, wenn es nicht um Propagandaveranstaltungen, sondern um die institutionelle Kooperation bei der Lösung konkreter Probleme wie Straßen- oder Manöverschäden vor Ort ging. Dann führten differierende Prioritäten, Dienstgepflogenheiten und Rechtsauffassungen immer wieder zu wechselseitigen Irritationen. Die DDR-Behörden wurden dabei nicht als gleichrangige Partner, sondern letztlich wie Bittsteller behandelt. Eingedenk der existentiellen Abhängigkeit von sowjetischer Protektion und gefangen im Tabu der eigenen Propaganda verhielten sie sich meist auch entsprechend.
Die westdeutschen Behörden hatten gegenüber den amerikanischen Truppen eine sehr viel stärkere Verhandlungsposition. Sie ergab sich zum einen aus der bereits seit Mitte der fünfziger Jahre praktizierten Anerkennung der Bundesrepublik und ihrer Behörden als praktisch gleichrangige Partner, mit denen man zu konstruktiven Lösungen im beiderseitigen Interesse kommen wollte, was auf Kommunal- und Landesebene seinen institutionellen Ausdruck in den deutsch-amerikanischen Beratungsausschüssen fand. Zum anderen verfügten die westdeutschen Behörden mit der zum Teil sehr kritischen Berichterstattung einer freien Presse über einen effektiven Hebel, um die Kooperationsbereitschaft der amerikanischen Seite zu stimulieren. Anders als bei den sowjetischen Truppen in der DDR dokumentierte damit gerade die Konfliktaustragung das Funktionieren der deutsch-amerikanischen Beziehungen, während die zum Teil höchst frustrierenden Verhältnisse an den Standorten der GSSD in der DDR in eklatantem Widerspruch zur offiziellen Freundschaftspropaganda standen, und diese Lügen straften.
* Selbstverständnis und Status, aber auch die Wahrnehmung der im geteilten Deutschland stationierten Truppen wurden durch den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg als Referenzpunkte entscheidend geprägt. Sie determinierten maßgeblich die kollektiven Vorstellungen von „Amis“ und „Russen“ und die Bewertung der amerikanischen und sowjetischen Militärpräsenz. Für die DDR-Gesellschaft und die in der DDR stationierten sowjetischen Soldaten wog das Erbe des Zweiten Weltkrieges allerdings ungleich schwerer als dies für Bundesrepublik und GIs der Fall war. Das ergab sich sowohl aus der hohen Zahl der sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkrieges, als auch aus den massenhaften Plünderungen und Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten bei Kriegsende, und insbesondere durch die Ausrichtung der offiziellen ostdeutschen wie sowjetischen Erinnerungskultur.
Für die Wahrnehmung und das Selbstverständnis der amerikanischen Truppen in der Bundesrepublik spielte der Zweite Weltkrieg als Referenzpunkt dagegen eine deutlich geringere Rolle. Stattdessen entwickelte sich spätestens seit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge ab 1955 der Kalte Krieg zum entscheidenden Aspekt der amerikanischen Militärpräsenz. Die Bundesrepublik wurde als zunehmend gleichberechtigter Kooperationspartner bei der Abwehr der perzipierten sowjetischen Bedrohung betrachtet. Die deutsche Furcht vor „den Russen“ hing zwar auch hier mit dem mentalen Erbe des Zweiten Weltkrieges zusammen, wurde nun aber mit den Begriffen des Kalten Krieges als Bedrohung der „Freiheit“ durch den „Kommunismus“ neu gerahmt. Obschon die Souveränität beider deutscher Staaten durch bis 1990 fortdauernde alliierte Vorbehaltsrechte und den rechtlichen Sonderstatus der Stationierungstruppen deutlich eingeschränkt war und mithin von einer bloßen Truppenstationierung in beiden Fällen nicht die Rede sein konnte, haftete der sowjetischen Militärpräsenz bis zum Ende der DDR der Ruch der Besatzung an, während die amerikanischen Truppen dieses Image spätestens Anfang der sechziger Jahre weitgehend abgestreift hatten.
Die Arbeit wurde im Dezember 2008 abgeschlossen und im März 2009 an der Universität Potsdam als Habilitationsschrift eingereicht.