Vorstellungen "guter Arbeit" bei europäisierten Arbeitsteams.
Die arbeitsbedingte Binnenmigration ist eines der kennzeichnenden Merkmale des Europäisierungsprozesses. Die länder- und kulturübergreifende Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen nationalen Kontexten wird zunehmend zur gesellschaftlichen Normalität.
Die Beschreibung eines europäischen Arbeitsalltages bildet den Ausgangspunkt des Projekts. In einer teilnehmenden Beobachtung wurde über einen Zeitraum von neun Monaten untersucht, wie sich die Zusammenarbeit von national gemischten Arbeitsteams im europäischen Rahmen darstellt. Im Anschluss wurden qualitative Einzelinterviews mit Teammitgliedern unterschiedlicher nationaler Herkunft geführt.
Die Organisation der Arbeit in einem europäisch gemischten Arbeitsteam konfrontiert die Individuen in ihrer alltäglichen Praxis mit der Vielfalt Europas. Prozesse und Ansichten, über die innerhalb national homogener Arbeitsteams stillschweigende Einigkeit zu bestehen scheint, geraten in das Zentrum individueller Aushandlungsprozesse. Auf welche Art und Weise wird die Arbeit absolviert? Wie wird auf entstehende Probleme im Arbeitsablauf reagiert? Welches Verständnis hierarchischer Betriebsstrukturen ist vorherrschend?
Francois Dubet folgend, wird entlang der Kategorien Gleichheit, Leistungsprinzip und Autonomie dargestellt, wie sich das subjektive Ungerechtigkeitsempfinden in einem europäischen Rahmen (neu) konstituiert. Bis zu welchem Punkt wird die europäische Vielfalt als bloße Heterogenität wahrgenommen und wo und wann wird sie zur problematischen Ungleichheit? Spielt diesbezüglich die Kategorie der nationalen Herkunft eine Rolle? Wird empfundene Ungerechtigkeit national benannt? Dient die nationale Herkunft als Legitimation in einem Feld vorhandener Disparitäten?
Europa stellt sich als ein System von Klassifikationen dar, welche situativ und nach einem "Relevanzsystem" (Schütz 1945) eingesetzt werden können. Im Rahmen des Projektes soll überprüft werden, inwiefern diesem System konkrete Handlungsweisen zuzuordnen sind und ob diese mit arbeitspraktischen sowie kulturellen Adpationsprozessen einhergehen.
Der individuellen Aushandlung kann in dem Setting der nationalen sowie kulturellen Ungleichheit eine zentrale Bedeutung zugewiesen werden. Über verschiedene Dynamiken des Konfliktes entsteht im Arbeitsalltag ein "working consensus". Dieser beschreibt, laut Erving Goffman (1959), eine oberflächliche Übereinkunft der Gruppenmitglieder. Nach Goffman geht die Lösung von Problem- und Konfliktsituationen nicht mit einem einheitlichen Verständnis von Realität einher. Die Konfliktparteien entwickeln eine Art Modus, eine für alle erträgliche Übereinkunft, der den Fortgang der Arbeitsprozesse gestattet. Für das Projekt ist von zentraler Bedeutung, ob und mit welchem subjektiven Ungerechtigkeitsempfinden dieser Modus einhergeht.
(Stand August 2012)