Die Definitionsmacht der NGOs

Die Konstruktion legitimer Sprecher im Menschenhandelsdiskurs

Das Projekt untersucht am Beispiel der Verhandlungen über das internationale Protokoll der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Menschenhandels (UN Protocol to prevent, suppress and punish trafficking in persons, especially women and children) den Prozess der Konstruktion von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und ihren Vertreterinnen als legitime SprecherInnen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Zuschreibung von (Opfer) "Identitäten" an die Betroffenen in diesem Diskurs gelegt. Die Studie fragt, ob sich die Ansätze von Bourdieu und Foucault sinnvoll ergänzen (lassen), um die Konstruktion legitimer Sprecherpositionen zu untersuchen und Mechanismen des Ausschlusses bestimmter Akteure deutlich zu machen.

In den 1990 Jahren wurden NGOs zunächst als "Weltgewissen" (Willetts 1996) und Hüter des Gemeinwohls auch in der wissenschaftlichen Literatur emphatisch begrüßt. Inzwischen wird über die Legitimität dieser Akteure durchaus kontrovers diskutiert. Insbesondere der eigene Anspruch der Akteure, jene Personen zu vertreten, die selbst ihre Stimme nicht erheben könnten, wird kritisch hinterfragt. Vor diesem Hintergrund untersucht das Projekt die Beziehung zwischen NGOs und Gruppen von "Betroffenen" im Politikfeld der Bekämpfung des Menschenhandels, das insbesondere wegen seiner historischen Verknüpfung mit dem Thema der Prostitution ein "ideologisches Minenfeld" (Friesendorf 2007) ist. Eine grundsätzliche Konfliktlinie verläuft zwischen so genannten abolitionistischen NGOs, die Prostitution grundsätzlich als Menschenhandel moralisch verurteilen und verbieten wollen, auf der einen Seite und selbst organisierten Gruppen von Sexarbeiterinnen, die eine rechtliche Regulierung und Anerkennung von Prostitution als Beruf fordern, auf der anderen Seite.

Auf Basis der von Pierre Bourdieu entwickelten Konzepte von Kapital und Habitus soll untersucht werden, warum die abolitionistischen NGO-Akteure während der UN-Verhandlungen als "legitime Sprecher" von den StaatenvertreterInnen wahrgenommen wurden, während z.B. Prostituierten-Aktivistinnen mit ihren Positionen bei diesen und in der Öffentlichkeit kein Gehör fanden. Mithilfe der Machttheorie von Michel Foucault soll zudem die Konstruktion von Subjektpositionen in dem NGO-Diskurs analysiert werden. Dabei geht es um die Zuschreibung von "Opfer-Identitäten" an die Betroffenen und wie die Betroffenen auf diese Zuschreibungen reagieren. Gefragt wird, ob die Zuschreibungen/Kategorisierungen einen "politischen Effekt" (Hacking 1999) haben, den die NGOs durch ihre Porträtierung der Betroffenen während der Verhandlungen zum UN Protokoll verstärkt haben.