Später Abschied: Imperiale Identitäten in iberischer Perspektive
Die geplante Studie befasst sich mit der Integration des späten portugiesischen und spanischen Kolonialismus in Afrika (ca. 1950-1975) in die globale Imperien-Geschichtsschreibung. Im Zentrum stehen die Dekolonisierungsprozesse in Angola, Mosambik, der Westsahara, Ifni und Spanisch-Guinea, die bis heute in der international vergleichenden Forschung kaum Beachtung finden. Der Zugang zu neu erschlossenen Quellen gestattet es, frische Akzente in der Forschung zum lusophonen und ehemals spanischen Afrika zu setzen.
Der internationale Druck zur Dekolonisierung in den 1950er Jahren veranlasste die beiden südeuropäischen Diktaturen, ihre Besitzungen als Provinzen ins Mutterland einzugliedern. Anfang der 1960er Jahre gab beispielsweise der spanische Präsidentschaftsminister Luis Carrero Blanco bekannt, die Sahara sei ebenso spanisch wie Cuenca. In Portugal wurde das Selbstverständnis als "plurikontinentale, multirassische und multiethnische Nation" staatlich verordnet.
In den afrikanischen Kolonien waren sowohl der portugiesische als auch der spanische spätkoloniale Staat auf indigene Kooperationspartner angewiesen und mussten diesen ‚Partizipationsangebote‘ unterbreiten. Anreize zur Kooperation sollten etwa die Beteiligung an Regierungsaufgaben bieten oder auch der Zugang zu medizinischer Versorgung und Schulbildung. Diese Bemühungen, die "Herzen und Köpfe" der Bevölkerung zu gewinnen, sollen am Beispiel Portugals während der Kolonialkriege in Afrika (1961-1974) verdeutlicht werden. Damals identifizierten Militärstrategen in ihren Doktrinen zur antisubversiven Kriegführung ausdrücklich Frauen als Schlüssel zu den lokalen Gesellschaften. Es war daher kein Zufall, dass die Mocidade Portuguesa Feminina zu Beginn der 1960er Jahre ihre Aktivitäten als ‚identitäre Agentur‘ in Angola und Mosambik verstärkte. Interessanterweise nahm zeitgleich auch die Spanische Frauenorganisation, die Sección Femenina de la Falange Española, ihre Arbeit in Ifni, der Westsahara und Spanisch Guinea auf. Spanien und Portugal suchten über Erziehungs- und Bildungsprogramme in den Kolonien Loyalität und Zugehörigkeit zu den iberischen Metropolen zu gewährleisten. Für Kontinuität des spanischen und portugiesischen (kulturellen) Einflusses sollten die Förderung und Integration einer indigenen weiblichen Funktionselite sorgen. Allerdings unterschätzten beide Frauenorganisationen die Agency ihrer Zielgruppen vor Ort: Das angebliche Integrationsangebot wurde mitunter karikiert, für andere, neue Zwecke genutzt und auch sabotiert.
Die integrative Rhetorik und ihre widersprüchliche politische Praxis untersucht das Projekt als eine verflochtene Geschichte der iberischen Imperien und verbindet sie mit Fragestellungen zu kolonialer Gewalt und Geschlecht. Die Frage nach der Konstruktion von Zugehörigkeit (Identität) dient als analytische Klammer zwischen Geschlechterverhältnissen, Integration und Gewalt.
(Stand April 2015)