Das demokratische Versprechen

Warum die Arbeitswelt unsere politische Zukunft bestimmt
Projektstart: Juni 2014

Das Projekt steht in der Kontinuität empirischer Forschungen zu Arbeit, Ungleichheit und Wohlfahrtsstaat, die seit 2006 am Hamburger Institut für Sozialforschung und in Kooperationsbeziehungen des Instituts vor allem mit dem SOFI Göttingen und der Universität St. Gallen stattfanden. Diese Forschungen blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf den Wandel der Arbeitswelt und diskutieren dessen Folgen für Strukturen und Erfahrungen sozialer Ungleichheit. Sichtbar wird eine veränderte politische Ökonomie der Arbeit, neue betriebliche Statuskonflikte, eine markante Formveränderung der beruflichen Mitte, und ein grundsätzlicher Wandel in der Justierung der Erwerbsgesellschaft.

Das Projekt "Das demokratische Versprechen" hat  vielfältige theoretische und empirische Referenzpunkte. Ein wichtiger Punkt ist hier die arbeits- und industriesoziologische Tradition, die einen engen Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Arbeitswelt und der Etablierung einer demokratischen Gesellschaft herstellt. Politische Emanzipation und sozialer Fortschritt, beruflicher Aufstieg und betriebliche Mitbestimmung sind die zentralen Stichworte. Sie finden sich exemplarisch in den frühen industriesoziologischen Arbeiten von Hans Paul Bahrdt, Ludwig von Friedeburg, Burkart Lutz oder Ralf Dahrendorf, aber auch in der Programmatik der "Humanisierung der Arbeit" aus den 1970er Jahren.

Diese Emphase hat die aktuelle Debatte um die Gegenwart und Zukunft der Arbeit  weitgehend verloren. Über Arbeit zu reden und zu forschen heißt andere, eher ungleichheitsbezogene Themen wie Prekarität, Fragmentierung, Exklusion und Verwundbarkeit anzusprechen. Hier rückt der Verlust von Sicherheit, Stabilität und Verbindlichkeit in den mittleren Lagen der Gesellschaft in den Vordergrund der Gesellschaftsdeutung. Doch Fragen der demokratischen Gestaltung der Gesellschaft sind damit nicht vom Tisch. Gerade die Dynamik sozialer Ungleichheit, die Pluralität erwerbsbezogener Statusformen oder die Neugestaltung öffentlicher Dienste und Güter zeigen: Die Arbeitswelt bestimmt nicht nur unsere wirtschaftliche, sondern auch unsere politische und auf diese Weise demokratische Zukunft.

Das Projekt bietet zugleich den konzeptionellen Rahmen für weiter führende Forschungen, die zurzeit in Kooperation mit dem SOFI Göttingen durchgeführt werden. Dazu zählen aktuell Forschungsvorhaben, in denen es erstens um eine (Neu-)Kartierung des Arbeitsbewusstseins unter den Vorzeichen einer veränderten industriellen Arbeitswelt geht; diese Forschungen schließen an die Tradition der Arbeits- und Gesellschaftsbewußtseinsforschung der Arbeitssoziologie seit den 1950er/1960er Jahren an; es werden zweitens Fragestellungen bearbeitet, in denen der aktuelle technologische Wandel der industriellen Fertigung und dessen Verarbeitung und Gestaltung auf betrieblicher Ebene zum Thema wird. Schließlich geht es in den Projekten um die rechtliche Gestaltung der Arbeitsgesellschaft bzw. um die gesellschaftlichen Grundlagen der Rechtsverwirklichung. Das Projekt bewegt sich daher auch mit seinen aktuellen empirischen Fallstudien im Forschungsfeld von Erwerbsarbeit und Betrieb, sozialer Ungleichheit und Klassenstruktur sowie Wohlfahrtsstaat und Demokratie.

(Stand Juli 2014)