Dynamiken politischer Gewalt - Varianz, Transformation und Hybridität von Gewaltformen in bewaffneten Konflikten
Im Zentrum dieses Forschungsprojektes steht die spezifische Logik – und dynamische Verknüpfung – unterschiedlicher Formen politischer Gewalt in bewaffneten Konflikten. Insbesondere moderne, asymmetrische Bürgerkriege und aufständische Gewaltkampagnen kennzeichnet eine enorme Heterogenität von Gewaltpraktiken. Unter den am Konflikt beteiligten bewaffneten Gruppen finden sich häufig sehr unterschiedliche Gewaltstrategien, zeitliche und räumliche Verschiebungen, sowie Überschneidungen etwa mit kriminellen Netzwerken. Diese Varianz und Dynamik von Gewaltmustern lässt sich mit Begriffen wie „Terrorismus“ und „Guerillakrieg“ nur teilweise abbilden. Die in der Diskussion oft uneinheitliche und analytisch nicht integrierte Konzeptualisierung von Formen politischer Gewalt ist zum einen den umstrittenen normativen Konnotationen vieler Begriffe geschuldet, zum anderen der Tatsache, dass sich die Forschung zu unterschiedlichen Formen politischer Gewalt bislang weitgehend separat voneinander entwickelt hat: Hier sind insbesondere die Terrorismusforschung, die Bürgerkriegsforschung und die Forschung zu sozialen Bewegungen und gewaltsamen Protesten zu nennen.
Kern des Projektes ist die vergleichende Analyse von zwei vertieften Fallstudien zu bewaffneten Konflikten. Diese sind: a) die verschiedenen, miteinander verknüpften Gewaltkampagnen islamistischer Gruppen in Ägypten im Zeitraum von 1980 bis heute (al-jihad, al-jama’a al-islamiyya, ansar bait al-maqdis/wilayat-sinai) und b) der interne bewaffnete Konflikt in Peru in der Zeit von 1980 bis 1999 und bis heute, insbesondere mit Blick auf den sogenannten "Leuchtenden Pfad" und dessen verschiedene Nachfolgeorganisationen sowie den MRTA (Movimiento Revolucionario Túpac Amaru).
Zu den beiden vertieften Fallstudien werden umfangreiche Dokumentenbestände ausgewertet und im Rahmen empirischer Feldforschung Interviews mit aktiven und ehemaligen Mitgliedern bewaffneter Gruppen, politischen Aktivisten und Bewohnern von Konfliktgebieten durchgeführt. Dies wird ergänzt durch die quantitative und qualitative Auswertung eines größeren Datensatzes zu bewaffneten Gruppen.
Anhand dieser empirischen Studien werden zwei – aufeinander aufbauende – Fragestellungen untersucht. In einem ersten Schritt befasst sich das Projekt mit der Frage nach der spezifischen Handlungs- und Situationslogik bestimmter Formen politischer Gewalt und den Implikationen und Folgen für die von ihr berührten sozialen und politischen Prozesse. Damit soll ein Beitrag zur Entwicklung einer Morphologie politischer Gewalt geleistet werden. Sie soll eine einseitige und reduktionistische Rationalisierung von Gewalt und Gewaltstrategien vermeiden und Überlegungen zur Eigendynamik, z.B. von Eskalation und Perpetuierung und zur symbolisch-performativen Dimension von Gewalt ebenso aufnehmen wie deren Einbettung in Machtprozesse auf unterschiedlichen Ebenen. Ankerpunkt des hierfür im Rahmen des Projektes zu entwickelnden theoretischen Ansatzes ist die sozial-relationale und räumliche Orientierung und Bedingtheit politischer Gewalt. Die Handlungslogik von Gewalt – so die Ausgangshypothese des Projektes – erschließt sich insbesondere aus Beziehungsmustern, wie Abhängigkeits- und Unterstützungsbeziehungen, zwischen Gewaltakteuren und ihrer sozialen Umwelt sowie aus der Struktur des politischen und sozial-räumlichen Settings, in dem sie stattfindet und das sie zu beeinflussen und kontrollieren sucht.
Ausgehend von dieser Analyse der spezifischen Logik(en) politischer Gewalt wird in einem zweiten Schritt der Verlauf von Gewaltprozessen in bewaffneten Konflikten in Hinblick auf die Dynamik, Transformation und Hybridität von Gewalt untersucht.
Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit auf den plötzlichen oder kontinuierlichen Wandel von Gewaltpraktiken, auf die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Gewaltformen sowie insbesondere auf die eigendynamische Qualität politischer Gewalt. Bestimmte Gewaltmuster, so die Ausgangshypothese, verändern Akteure, Beziehungsmuster und Institutionen – und damit ihre Ausgangsbedingungen – in je spezifischer Weise und erzeugen so die Mechanismen ihrer eigenen Transformation.