Religiöses Awakening in McCarthys Amerika
(Stand 2007)
Seit dem 11. September 2001 wird in den Vereinigten Staaten rege über den Zusammenhang von äußerer Bedrohung, innergesellschaftlicher Identitätssuche und religiöser Erweckung diskutiert. In diesem Klima kommt es zu einem Erstarken der evangelikalen Bewegung, welches einer historischen Einordnung bedarf.
Der Patriotismus und Politisierungsgrad der amerikanischen Evangelikalen lässt sich jedoch weder ausreichend im langen historischen Rückgriff auf den religiösen Gründungsmythos der amerikanischen Nation erklären, noch durch den zeitlich zu kurz gegriffenen Blick auf den Aufstieg der Religiösen Rechten seit den 1970er Jahren. Die entscheidende Transformationsphase des amerikanischen protestantischen Fundamentalismus zum öffentlichkeitswirksamen und politisch aufgeladenen Evangelicalism, wie wir ihn heute kennen, ist erstens eine klare Entwicklung des 20. Jahrhunderts und setzte zweitens lange vor dem Aufstieg der Religiösen Rechten ein. Deren Erfolgsgeschichte basiert daher nicht wie bisher angenommen auf einer religiösen Überreaktion auf die Liberalisierungstendenzen der 1960er Jahre, sondern vielmehr auf dem soliden Fundament eines Transformationsprozesses, der auf die 1940er und 1950er Jahre fokussiert werden kann. Der Zweite Weltkrieg hat diesen Prozess entscheidend beeinflusst.
In dieser Phase gelang, so die erste These des Projekts, eine Aussöhnung von Religion und Gesellschaft auf der Basis sich wandelnder Haltungen der protestantischen Fundamentalisten zu Regierung, Staatsbürgerschaft und politischer Partizipation. Parallel, so der zweite Fokus des Projektes, gingen Glaubenspraxis und massenmediale, populärkulturelle Inszenierbarkeit einen neuartigen Schulterschluss ein. Beide Prozesse haben seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer zunehmenden politischen Bedeutung der Religion im öffentlichen Leben geführt, die auch die religiöse Erlebniswelt fundamental verändert hat. Aus dem exklusiven protestantischen Fundamentalismus der Jahrhundertwende wurde so seit Beginn der 1940er Jahre der transformierte Evangelicalism, der sowohl in seinen Argumenten als auch in seinen Praktiken einen Anpassungsprozess an den Modernisierungsgrad und den normativen Konsens der ihn umgebenden Gesellschaft durchlaufen und sich dadurch modernisiert und politisiert hat.
(Das Projekt wurde von Januar 2005 bis Frühjahr 2007 im Arbeitsbereich "Theorie und Geschichte der Gewalt" bearbeitet und wird extern fortgeführt)