Geld, Souveränität, Demokratie

Untersuchungen zum Spannungsverhältnis von monetärer Souveränität und demokratischer Staatlichkeit im europäischen Kontext
Projektstart: Juni 2019

Bargeld verliert in unserem Alltag immer mehr an Bedeutung. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland erstmals mehr Zahlungen elektronisch abgewickelt als mit Banknoten und Münzen. Im Euroraum liegt der Anteil des Bargelds an der Gesamtgeldmenge inzwischen bei unter zehn Prozent. In der Öffentlichkeit wird der Rückzug des Bargeldes häufig in Bezug auf die Funktion des Geldes und mögliche Nebeneffekte thematisiert: einige begrüßen etwa die Vereinfachung des Zahlungsverkehrs, andere befürchten einen Verlust der Möglichkeit anonymen Bezahlens. Das Phänomen verweist aber auch auf einen strukturellen Zusammenhang, da unser „modernes Geld auf der Integration staatlichen Münzgeldes und privaten Bankgeldes beruht“ (B. Weber). Während Bargeld vom Staat als gesetzliches Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt wird, ist (elektronisches) Geld auf Spar- oder Girokonten privates, von Geschäftsbanken erzeugtes Geld.

Dieses privat-staatliche Hybridsystem sorgte in der jüngeren Vergangenheit für intensivierte geldtheoretische und -politische Kontroversen. Sollte der Staat nur regulierend eingreifen oder gar als Monopolist die Bereitstellung des Geldes sicherstellen? Sollten private Banken (auch) die Möglichkeit haben, Geld zu schöpfen oder nur als Intermediäre fungieren? Diese Fragen sind deshalb umstritten, weil der Prozess der Geldproduktion sowohl auf Akteurs- als auch auf systemischer Ebene große Auswirkungen hat. Wer Geld schöpft, der stellt Zahlungsfähigkeit her. Er erweitert damit nicht nur den eigenen Handlungsspielraum, sondern beeinflusst auch die Handlungsfähigkeit anderer. Letztlich hängt die ökonomische Leistungsfähigkeit der Gesellschaft von der Frage ab, wie ihre Geldproduktion organisiert ist.

Angesichts dieser Bedeutung und seiner Konstitution ist es erstaunlich, dass (modernes) Geld bisher kaum Gegenstand politiktheoretischer Auseinandersetzungen ist. Dabei wirft die Hybridität moderner Geldordnungen doch sehr grundsätzliche Fragen auf, etwa nach der Grenzziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre oder nach gerechter Verteilung, die klassischerweise in der politischen Theorie behandelt werden. Hinzu kommt, dass die Ausgestaltung der Geldordnung maßgeblich kollektive Handlungsspielräume beeinflusst. So macht es zum Beispiel einen substantiellen Unterschied, ob Staaten Ausgaben monetär über ihre eigene Zentralbank finanzieren können oder diese über Steuereinnahmen oder Finanzmärkte prä- beziehungsweise refinanzieren müssen. In Demokratien schließen sich hieran Fragen der demokratischen Selbstbestimmung an. Wie souverän ist der Demos, wenn er keinen direkten Einfluss auf zentrale geldpolitische Institutionen hat? Oder wenn der öffentliche Einfluss im privat-staatlichen monetären Hybridsystem immer weiter schwindet? Das Forschungsprojekt wird sich unter anderem mit diesen Fragen befassen.

Ziel ist es, den geldtheoretischen Diskurs um eine politiktheoretische Dimension zu erweitern. Zum einen sollen grundsätzliche Aspekte der Legitimität von Geldordnungen erörtert werden wie etwa die demokratische Kontrolle der Geldpolitik. Wie viel Kontrolle ist notwendig und gibt es Möglichkeiten der Kontrolle auch jenseits des Staates? Zum anderen sollen konkrete politische Prozesse und Institutionen untersucht werden. Hier liegt der Fokus auf dem europäischen Währungsregime. Mit seiner komplexen Mehrebenenarchitektur, die im Verlauf der Eurokrise immer wieder angepasst wurde, hat es eine besondere Relevanz für den gegenwärtigen Diskurs. Darüber hinaus sollen auch andere Konstellationen in vergleichender Perspektive in der Analyse berücksichtigt werden.