Weber
(Stand Oktober 2004)
Ziel des Forschungsvorhabens ist eine wissenschaftlich tragfähige Biographie des deutschen Sozialwissenschaftlers Max Weber (1864-1920). Erarbeitet werden soll eine durch Quellenrecherche belegte Verbindung individueller Daten – in diesem traditionellen Sinn: einer "rein biographischen" Darstellung – mit einer Analyse der Entwicklung des wissenschaftlichen Werkes. Diese Verknüpfung der Entwicklung von Leben und Werk Max Webers soll in eine integrative Wissenschaftsgeschichte, Kulturgeschichte, Sozialgeschichte und politische Ereignisgeschichte eingefügt werden.
Ungeachtet der Tatsache, dass Max Weber zu den bedeutendsten und wirkungsvollsten Denkern des 20. Jahrhunderts gezählt wird und sein nachgelassenes Werk seit Jahrzehnten von zahlreichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen im internationalen Wissenschaftsdiskurs behandelt wird, liegt bis heute keine wissenschaftliche Biographie vor, die den genannten Kriterien entsprechen würde. 1926 erschien die Biographie "Max Weber. Ein Lebensbild" – aus der Feder der Witwe und Nachlassverwalterin Marianne Weber. Keine der seitdem erschienenen Arbeiten, soweit sie sich überhaupt auf die Biographie Webers einlassen, ist wesentlich über das von der Witwe seinerzeit ausgewählte und verarbeitete Material und dessen Interpretation hinausgegangen.
Für einen unbestrittenen "Klassiker" war die biographische Quellenlage bislang erstaunlich mager. Die Materiallage zu Max Weber beschränkte sich lange Zeit auf die im Folgenden in chronologischer Reihenfolge ihrer Publikation angeführten Arbeiten:
- Die Sammlung "Politische Briefe" Max Webers aus den Jahren 1906 bis 1919, die Marianne Weber der ersten Auflage der "Gesammelten Politischen Schriften" (GPS) mitgegeben hatte, nicht ohne dabei erhebliche Kürzungen und Verschlüsselungen vorzunehmen.
- Das "Lebensbild" selbst, verwendete Marianne Weber doch eine Vielzahl von Originaldokumenten, die sie, wenn auch wiederum mit teilweise erheblichen editorischen Eingriffen, Kürzungen und Verschlüsselungen, zum Abdruck brachte.
- Die, ebenfalls von Marianne Weber edierte und 1936 beim Verlag Mohr-Siebeck publizierte Sammlung "Jugendbriefe", in denen eine Auswahl aus den Briefen Max Webers, insbesondere an seine Familienangehörigen im Zeitraum 1876 bis 1893 zu finden ist, wiederum mit editorischen Eingriffen wie Kürzungen und Verschlüsselungen.
- Eine Vielzahl von Briefen und Dokumenten, die Wolfgang J. Mommsen aus dem ehemaligen Preußischen Geheimen Staatsarchiv und aus dem von Eduard Baumgarten verwahrten Nachlass in seiner Arbeit von 1959 "Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920" – teilweise gekürzt – zitierte und abdruckte, und weitere Dokumente, die zusätzlich in die zweite Auflage seiner Arbeit von 1974 aufgenommen wurden.
- Dokumente, insbesondere Briefe Max Webers aus dem Zeitraum 1881 bis 1920, die Eduard Baumgarten aus dem ihm nach 1945 von Marianne Weber übergebenen handschriftlichen Nachlass Max Webers in seiner Arbeit von 1964 "Max Weber. Werk und Person" abdruckte, ebenfalls gekürzt und verschlüsselt.
War dies der Stand der gedruckten Quellenlage bis Ende der 80er Jahre, so hat sich durch die mittlerweile vorliegenden Bände der Edition der "Max Weber-Gesamtausgabe" die Situation wesentlich verändert. Dieses editorische Großunternehmen, betreut von den Hauptherausgebern Horst Baier (Konstanz), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Wolfgang J. Mommsen (Düsseldorf), Wolfgang Schluchter (Heidelberg) und Johannes Winckelmann (†), unterstützt mit erheblichen Zuwendungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Werner-Reimers-Stiftung, die Bayerische Akademie der Wissenschaften und den Verlag Mohr-Siebeck, ist von "autoritativer, geradezu legislatorischer Bedeutung" (Wilhelm Hennis) für die internationale Weber-Forschung geworden. Nicht zuletzt durch die bisher veröffentlichten Bände der MWG, insbesondere durch die bislang publizierten Briefbände, hat sich auch das biographische Wissen dahingehend vergrößert, dass nunmehr daran gegangen werden kann, eine Revision der bisher dominanten Interpretation durch die Perspektive des "Lebensbildes" von Marianne Weber anzugehen.
Erst jetzt kann das einseitige und erheblich retuschierte Bild, welches die Witwe und Nachlassverwalterin vom Menschen und Wissenschaftler Max Weber und seinem Entwicklungsweg hinterlassen hat, durch die detaillierte Quellenauswertung, unter Heranziehung der Literatur zu vielfältigen Kontexten, in welche Leben und Werk Webers gebettet waren, korrigiert und ergänzt wird.
Das Projekt wurde im September 2004 am Hamburger Institut abgeschlossen und extern fortgeführt.