Interessenverbände und Suprastaat – Die Europäisierung von Weltkriegsveteranen und die europäische Integration in der frühen Nachkriegszeit

Forschungsgruppen - Demokratie & Staatlichkeit
Projektstart: April 2021

Das Projekt vermisst das Verhältnis zwischen westdeutschen und französischen Veteranenverbänden einerseits und der europäischen Integration andererseits. Dabei wird ein breiter Integrationsbegriff zugrundgelegt, der die Pläne zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ebenso umfasst wie die Westeuropäische Union im Rahmen der NATO. In den 1950ern kam es zu einer Europäisierung der Veteranen, die sich unter anderem in der Gründung europäischer Dachverbände manifestierte. Dabei ist der Kontext der Integrationspolitik ein wichtiger Erklärungsfaktor; gleichzeitig muss die Europäisierung der Veteranen als ein Prozess mit seiner eigenen Dynamik begriffen werden.

Das Projekt verortet sich in der historischen Forschung erstens  zur politischen Rolle von Veteranen und zweitens zur europäischen Einigung. Erstere steht unter dem Eindruck zweier scheinbar widersprüchlicher Befunde: Lassen sich für die Zwischenkriegszeit zahlreiche Beispiele für die radikale Bedrohung der europäischen Republiken durch organisierte Veteranen finden (man denke nur an den "Stahlhelm" oder die "Croix de Feu"), blieb eine solche Bedrohung in der Nachkriegszeit aus. Die im Projekt untersuchte Geschichte der Europäisierung der Veteranen kann einen Beitrag zur Lösung dieses Widerspruchs liefern.

In der Forschung zur europäischen Integration folgt das Projekt verschiedenen Anstößen, die auf eine Historisierung zielen, in der eine Heldengeschichte der europäischen Institutionen von Monnet bis Delors vermieden wird. Indem es vermeintlich randständige Akteure untersucht und deren Konzeptionen als eigenständige Auseinandersetzungen mit Europa ernst nimmt, kann das Projekt auch zu dieser Agenda einen Beitrag leisten.

In dem Projekt geht es um Akteure, die sich in der Erwartung (oder der Illusion) seiner Supranationalisierung an den Staat wenden. In der Ungewissheit des Moments, in den Wechselspielen zwischen Erwartungen und tatsächlicher Integration und der Unvorhersehbarkeit von Scheitern und Erfolg der Integrationspolitik liegen zahlreiche Spannungen. Indem diese Spannungen untersucht werden, lässt sich einiges über die Erfahrung von Staatlichkeit in den Augenblicken ihrer Europäisierung lernen.