"Ich war sehr betroffen, gerade in Lübeck ..."

Reaktionsformen auf die Brandanschläge in Lübeck

(Stand 1997)

Der Brand in der Lübecker Hafenstraße im Januar 1996 schreckte auf: zu hell brannte das Asylbewerberheim, es gab zu viele Tote, um darüber im üblichen Nachrichtenstil "Brand in ... Ausländerfeindliche Hintergründe sind nicht feststellbar" zu berichten. Hier war es anders. Der Brand konnte in eine Serie von Bränden eingeordnet werden. Zu offensichtlich schien, daß es sich erneut um einen rassistischen Anschlag neonazistischer Gruppen gehandelt hatte. Die Überraschung bot die Staatsanwaltschaft: Sie ließ die zunächst verdächtigen (ost)deutschen Jugendlichen frei und verhaftete einen Hausbewohner.

In einer Befragung sollte geklärt werden, wie einzelne Bürger mit dem Geschehen umgehen und wie das Ereignis normalisiert wird. Hierfür wurden Lübecker aus verschiedenen sozialen Bereichen, Alters- und Geschlechtsgruppen und Nationalitäten über den Brand befragt. Zwölf Gespräche wurden zur Textanalyse mit dem Tonband protokolliert und transkribiert. Herausgearbeitet wurden Umgangsformen, Erklärungs- und Deutungsmuster für die Gewalttaten, bei denen Flüchtlinge/Asylsuchende ums Leben kamen. Das Interesse der Gesprächspartner galt nicht so sehr den Tätern, es ging ihnen vor allem um das Problem des Verhältnisses von Mehrheit und Minderheit. Zu erkennen war doppelter Zorn: Den Bürgern war etwas angetan worden, und sie hatten nun das Problem, damit leben zu müssen.

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt verschiedene Umgangsformen mit der Trauer, die in fast allen Gesprächen in der Argumentation und in der Wortwahl "verrutschten". Die Einzelporträts lassen vier Typen unterscheiden: Korrektur-, Verständnis-, Skandal- und Progreßtyp.

Der Bericht steht Interessierten in der Bibliothek des Hamburger Instituts für Sozialforschung zur Verfügung.