Fremdenfeindlichkeit
(Stand 2005)
Das Auftreten der Rechtsextremen in der Öffentlichkeit, ihre Aktionsformen und Handlungsstrategien haben sich seit der Wende gewandelt. Rechtsextreme Demonstrationen, Konzerte und Saalveranstaltungen gehören mittlerweile vielerorts zum Alltag, Unterschriften- und Flugblattaktionen, Hausbesetzungen und viele andere Formen des Protestes wurden von den in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik entstandenen „neuen sozialen Bewegungen“ übernommen.
Der Rechtsextremismus hat sich in den Jahren nach 1989/90 verjüngt und dynamisiert. Waren bis 1989 in der alten Bundesrepublik Wahlparteien wie die Republikaner, die DVU oder die NPD dominierend, traten nun junge Erwachsene in Freien Kameradschaften und anderen losen Zusammenschlüsseln in Erscheinung, die ihr Ziel nicht mehr in der Teilnahme an Wahlen sahen, sondern ihre politischen Vorstellungen offensiv, nicht selten mit Gewalt auf der Straße vertreten wollten.
Im Rahmen einer lokalen Fallstudie wurden die Aktionen der rechtsextremen Szene in einer ostdeutschen Stadt über einen Zeitraum von anderthalb Jahre beobachtet.
Die Untersuchung rekonstruiert die Entwicklung der Szene anhand von Dokumenten und Interviews, die mit Gegnern sowie mit Anhängern der rechtsextremen Szene geführt wurden. Die wichtigsten Protagonisten werden in Porträts vorgestellt. Ihr Selbstverständnis, ihre politischen Wunschvorstellungen und ihre Stellung zur Gewalt werden auf Basis der Interviews analysiert.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die politischen Aktivisten der rechtsextremen Bewegung. Sie sind diejenigen, die neue Handlungskonzepte und Aktionsformen entwickeln, Anhänger rekrutieren und indoktrinieren sowie Veranstaltungen organisieren. Im Hinblick auf die Dynamisierung des Rechtsextremismus sind sie daher von wesentlicher Bedeutung. Anders als die fremdenfeindlichen Gewalttäter werden diese Organisatoren der Bewegung nur selten straffällig – im Gegensatz zu den Straftätern wissen wir über diese (vorgeblich) gewaltfrei auftretenden Aktivisten und Führungspersonen daher noch relativ wenig.
Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2002 war zu beobachten, dass sich die Szene zunehmend von Gewalt distanzierte und versuchte mit anderen – zivilen – Protestformen Aufmerksamkeit, Anerkennung und Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erreichen. Die Auswertung der Interviews zeigt aber, dass sich die politischen Ziele und Wunschvorstellungen der Protagonisten von einer ethnisch homogenen, von Fremden und politischen Gegnern „gereinigten“ Volksgemeinschaft nicht geändert haben. Mit der zu beobachtenden taktischen Zivilisierung ihrer Anhängerschaft und einer offensiv propagierten Abkehr von Gewalt reagierte die Szene auf die Delegitimierung fremdenfeindlicher Gewalt und die gesellschaftliche Ausgrenzung des Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit.
(abgeschlossen August 2005)