Wer ist der Wohlfahrtsstaat? Für eine Soziologie öffentlicher Dienstleistungen
Dieses Forschungsvorhaben führt die 2006 begonnene Studie über "Die Verwaltung des Sozialen. Die normativen Milieus von Sorge und Dienst im gewährleistenden Wohlfahrtsstaat" fort. Das Projekt zur "Verwaltung des Sozialen" nahm die Fragen der Gestalt und der Gestaltung wohlfahrtsstaatlicher Politik zum Ausgangspunkt gesellschaftswissenschaftlicher Recherche. Im Mittelpunkt standen hierbei die gesellschaftlichen Folgen der veränderten Architektonik des Wohlfahrtsstaates. Aber im Verlauf des Projekts waren nicht nur soziale Strukturfragen wohlfahrtsstaatlichen Wandels von Bedeutung, sondern es ging immer auch um die Ausarbeitung einer akteursbezogenen Soziologie des "arbeitenden Staates". Die unterschiedlichen Repräsentanten wohlfahrtsstaatlichen Wandels in den öffentlichen Diensten und Wohlfahrtsverbänden erhielten Aufmerksamkeit. Ergebnisse dieser Forschungen finden sich in dem 2009 in der Hamburger Edition erschienen Buch "<link>Wohlstandskonflikte. Soziale Fragen, die aus der Mitte kommen".
Das aktuelle Projekt führt die begonnen Forschungen fort. Es konzentriert sich in theoretischer Hinsicht wie in seiner Empirie auf das breite Spektrum öffentlicher Dienstleistungen als zentrale Orte moderner europäischer Wohlfahrtsstaaten, rechtsstaatlich verfasster Demokratien und pluraler Marktgesellschaften. Die zukünftige Gewährleistung gemeinwohlorientierter Güter und daseinsvorsorgender Leistungen stehen im Blickpunkt einer praxisorientierten Soziologie des Öffentlichen. Eine solchermaßen ausgerichtete Soziologie des Öffentlichen betrachtet den Staatssektor zugleich als ein Beschäftigungsfeld von großem Gewicht, als ein auf besondere Weise organisierten Arbeitsmarkt und als einen besonderen Raum professioneller Gelegenheiten. Zahlreiche markante soziale Veränderungen des öffentlichen Sektors werden sichtbar. Wichtig sind Stichworte wie "New Public Management" oder "Public Private Partnership". Erkennbar wird, dass das Arbeiten für gemeinwohlorientierte Aufgaben und Belange brüchiger, instabiler und ungleicher geworden ist. Was sind die Konsequenzen dieser Entwicklung für die Leistungskraft des Staates und seiner Bediensteten? Sind die öffentlichen Dienste in den europäischen Gesellschaften noch ein stabiles Zentrum des Sozialen? Oder repräsentieren sie ein nervöses Reformfeld, das soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten verschärft? Inwieweit sieht sich das Personal öffentlicher bzw. staatsnaher Dienstleistungen noch als Sachwalter des sozialen Ganzen? Und kann es unter veränderten Beschäftigungsbedingungen und Finanzspielräumen noch die Qualität öffentlicher Güter sichern?
(September 2010)