Dynamische Differenzierung: Verlierer und Gewinner der Vereinigung

Auf- und Abstiegsprozesse im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten

(Stand  März 1996)

Ziel des Projektes ist es, die Gewinner und Verlierer des Vereinigungsprozesses und des damit verbundenen Strukturbruches in Ostdeutschland im Zeitraum zwischen 1990 und 1993 zu identifizieren. Dabei geht es vor allem um die Veränderung der individuellen Lage im Rahmen des durch die Vereinigung ausgelösten makro-strukturellen Transformationsprozesses. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den (Erwerbs-)Verläufen dieser Personen und nicht nur dem Vergleich von Anfangs- und Endzeitpunkt. Auf- und Abstiege können sich wechselseitig aufheben, kontinuierliche Auf- und Abstiege können hierbei identifiziert werden und die Anzahl der Positionswechsel spielt für die Wahrnehmung und Bewertung der Vereinigung eine wichtige Rolle.

Das Projekt legt den Schwerpunkt auf die Differenzierungsprozesse, die sich aus der Umstrukturierung einer in vielerlei Hinsicht vormalig homogeneren in eine heterogenere Gesellschaft ergeben haben. Diese interne Veränderung läßt sich auch als "doppelte Beschleunigung" verstehen: Zum einen übte die Veränderung der Berufsstruktur und des Institutionsgefüges der ehemaligen DDR einen Mobilitätsdruck auf die Bevölkerung aus. Zum anderen löste ein unsichereres und weniger Stabilität verheißendes Regime das ältere Mobilitätsregime ab, welches mehr Sicherheit und Stabilität im Lebenslauf gewährleistete.

Männer und Frauen, die entweder ihre vergleichsweise gute soziale Stellung in der DDR erfolgreich in die (neue) Bundesrepublik übertragen konnten oder sich erfolgreich umorientierten und von neu geschaffenen Positionen (z. B. Unternehmer) profitierten, können als Gewinner bezeichnet werden. Verlierer sind in dieser Logik alle Personen, die eine niedrigere soziale Stellung einnehmen. Jedoch ergeben sich im Prozeß der Vereinigung vielfältige Auf- und Abstiege, die insgesamt eine komplexe Gemengelage von Verlusten und Gewinnen ergeben, so daß Gewinner und Verlierer zum Teil kaum mehr eindeutig benennbar sind. Die Frage ist, inwieweit Personen durch die ausgelösten Schübe individueller Erwerbs- und Berufsmobilität betroffen waren und wie sie den tiefen biographischen Einschnitt bewältigten, den die Vereinigung für viele Ostdeutsche darstellt.

Die Analyse basiert auf dem sozio-ökonomischen Panel Ost (SOEP-Ost), welches im Juni 1990 mit 2179 Haushalten mit 6044 Haushaltsmitgliedern, wovon 4453 Personen über 16 Jahre alt waren, startete. Die gleichen Personen wurden im jährlichen Abstand wiederum befragt, wobei auch Wanderungen in den Westen berücksichtigt wurden.
Das Projekt wurde entwickelt und durchgeführt in Kooperation von Prof. Dr. Ulrich Beck vom Institut für Soziologie der Universität München und dem Hamburger Institut für Sozialforschung. Anfang November 1995 organisierte das Hamburger Institut für Sozialforschung einen Workshop zur Thematik "Integration von hochindividualisierten Gesellschaften", in dessen Rahmen auch Ergebnisse dieses Projekts präsentiert wurden und der deren Einordnung in einen weiteren theoretischen Kontext ermöglichten.

(abgeschlossen 1996 im Arbeitsbereich „Konstitutionsbedingungen und Entwicklungspotentiale der BRD“, jetzt „Die Gesellschaft der BRD“)