Historiker im Nationalsozialismus
(Stand Dezember1997)
Zum 11. Oktober 1939 brachte Johannes Papritz als Vertreter der "Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft" (NOFG) eine Denkschrift zur "Eindeutschung Posens und Westpreußens" auf den Weg. Darin forderten die deutschen Osteuropaforscher die Aussiedlung von ungefähr 2,9 Millionen Polen aus den Abtretungsgebieten des Versailler Vertrages. Gleichzeitig sollte die gesamte jüdische Bevölkerung enteignet und deportiert werden, um die "geschlossen siedelnde, alle Schichten umfassende deutsche Bevölkerung mit einer gesunden sozialen Ordnung" dort ansässig werden zu lassen. Dies Schlüsseldokument war das Resultat eines seit 1934 unter dem Dach der NOFG gleichgeschalteten arbeitsteilig angelegten, interdisziplinär vernetzten Großforschungsverbundes. Er wurde u. a. von den hervorragendsten Repräsentanten der deutschen Geschichtswissenschaft getragen: Hermann Aubin und Albert Brackmann, Hans Rothfels und Reinhard Wittram, Werner Conze und Theodor Schieder. Alle hier zusammengefaßten Osteuropahistoriker stellten ihr Expertenwissen dem NS-Regime zur Verfügung, um die Germanisierung des "Ostraumes" zu rechtfertigen und mit bevölkerungspolitischen Expertisen zur "Judenfrage" zu unterstützen.
Das Projekt verdichtet biographische und werkgeschichtliche Aspekte auf der einen, institutionelle und planerische Prozesse der Bürokratie auf der anderen Seite, um den Weg der deutschen Geschichtswissenschaft in das NS-Regime aufzuarbeiten. Die Arbeit ordnet sich in den Versuch vor allem jüngerer Historiker ein, die dem Holocaust zugrundeliegenden rationalen Prozesse nachzuvollziehen. Es soll die quellengestützte Grundlage dafür bieten, das bisher um diesen Komplex gelegte kollektive Schweigegelübde zu durchbrechen und die Rolle der Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus neu zu überdenken.
(Das Projekt wurde von Oktober 1996 bis Dezember 1997 vom Hamburger Institut für Sozialforschung endgefördert)