Politische Ökonomie des Geld-Finanz-Fiskal-Nexus.

Verteilungsauswirkungen der sich verändernden Wechselbeziehungen zwischen privater und öffentlicher Geldschöpfung in der Eurozone
Forschungsgruppen - Monetäre Souveränität

Ein Großteil der volkswirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzungen befassen sich mit der unterschiedlichen Gewichtung und Aufgabenverteilung zwischen privater und öffentlicher Hand. Die verschiedenen ökonomischen Denkschulen streiten seit jeher darüber, ob z. B. öffentliche Investitionen private eher verdrängen oder anziehen, oder ob der Staat die Risiken privater Investoren übernehmen sollte und wenn ja unter welchen Bedingungen. Dies sind normativ stark aufgeladene Debatten, da es sich in ihrem Kern um grundsätzliche Verteilungsfragen handelt.
Dennoch werden eben diese Diskussionen selten in Bezug auf den Finanzmarkt und die Geldpolitik ausgefochten, wenngleich die Verteilungsfrage auch in diesem Bereich eine grundlegende Rolle spielt. Dies sticht besonders ins Auge in Anbetracht der massiven Ausweitung von privater und öffentlicher Geldschöpfung.
In den letzten Jahrzehnten kam es an den Finanzmärkten zu immer weiteren Innovationen verschiedener Praktiken, wie z.B. der Verbriefung und Besicherung (auf Englisch auch securitisation und collateralisation), durch welche die private Geldschöpfung massiv ausgeweitet wurde. Staatsanleihen kommen hierbei eine besondere Rolle zu, da sie oftmals als Pfand bei Rückkaufvereinbarungen genutzt werden. Diese nur sehr geringfügig regulierten Praktiken, auch Schattenbanken genannt, stellen ein hohes Risiko für die Stabilität der gesamten internationalen Finanzmarktstruktur dar. In Krisensituationen müssen Zentralbanken deswegen regelmäßig im großen Stil intervenieren und weiten dadurch wiederum auch die öffentliche Geldschöpfung in bedeutendem Maß aus. Auffallend ist hierbei, dass Zentralbanken in diesen Situationen auch Staatsanleihen aufkaufen, auch wenn eine direkte fiskalpolitische Unterstützung der Geldpolitik laut der Neoklassik zu untersagen ist.  Dies würde sonst die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage stellen, sowie ihre Verpflichtung zur Marktneutralität verwässern. Der Mainstream der volkswirtschaftlichen Theorien ist dementsprechend nicht in der Lage, Entwicklungen wie die Ausweitung des Schattenbankensektors angemessen zu adressieren oder gar zu erklären.

All dies wirft einige Fragen auf, die nicht mit dem theoretischen Instrumentarium der volkswirtschaftlichen Orthodoxie beantwortet werden können. Zum einen braucht es ein ganzheitlicheres Verständnis des sich wandelnden Beziehungsgeflechts zwischen Geld- Fiskal und Finanzakteuren. Wie verändern Praktiken wie z.B. Rückkaufvereinbarungen im Schattenbankensektor das Zusammenwirken von privater und öffentlicher Hand? Welche neuen Machtkonstellationen bilden sich durch diese kontinuierlichen Veränderungen und Innovationen? Welche verteilungspolitischen Konsequenzen ergeben sich daraus? Innerhalb der Eurozone welche Staaten profitieren am meisten von diesen Entwicklungen und welche sind ihnen am stärksten ausgesetzt? Und nicht zuletzt, welche Hindernisse und Möglichkeiten schaffen diese neuen Arten der öffentlichen und privaten Geldschöpfung für die „grüne Transformation“?

Um diese Fragen zu beantworten, ist es zunächst wichtig, die künstliche Trennung zwischen privater und öffentlicher Hand zu hinterfragen. Dies führt zu einer Analyse der sich verändernden Machtverhältnisse zwischen öffentlicher und privater Geldschöpfung, gerade weil man nicht a priori von einer Trennung zwischen Geld-, Fiskal-, und Finanzsphäre ausgehen kann. Vielmehr – so eine der zentralen Annahmen dieses Projekts – muss man sie als Nexus verstehen, den ich als Geld-Fiskal-Finanz-Nexus bezeichnen möchte. Nur durch ein solches Verständnis werden die Wechselbeziehungen zwischen den jeweiligen monetären, finanziellen und fiskalpolitischen Akteuren transparent; nur dadurch lassen sich ihre ineinander verknüpften Bilanzen nachzeichnen. Und dies erlaubt es dann auch, die Erzeugung, den Handel, die Aufrechterhaltung und Abwicklung monetärer Ansprüche, sowie die sich dadurch verändernden Machtgefüge und ihre verteilungspolitischen Auswirkungen zu beleuchten.