Die Sozialfigur des 'politischen Soldaten' und die Vergesellschaftung der Gewalt
Die zeitgenössischen Auslandseinsätze werfen nicht nur Fragen nach den Maßstäben und Instrumenten der Sicherheits- und Militärpolitik auf; sie haben auch Konsequenzen für das militärische Berufsprofil. Während in der Fachliteratur diskutiert wird, ob der Soldat von morgen ein "Allrounder" werden oder ein "Kämpfer" bleiben müsse, wird mit dem Projekt eine andere Spur verfolgt. Die aktuellen Wars of Choice werden auf einem politischen Gefechtsfeld ausgetragen. Der Soldat ist zum politischen Akteur geworden, der selbst im taktischen Mikrokosmos politische Entscheidungen fällen muss. So neu und provokativ diese Einsicht auch erscheinen mag, militärhistorisch verweist sie auf eine lange Problemgeschichte, in der immer wieder das Verhältnis von Politik und Militär umstritten war. Die Frage, ob ein "politischer" oder ein "unpolitischer" Soldat heranzubilden sei, lässt sich bis auf die ersten Entwürfe des Bürgersoldaten im frühen 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Mit der "Vergesellschaftung der Gewalt" (Michael Geyer) seit dem Ersten Weltkrieg hat diese Frage eine neue Dynamik gewonnen, die alle deutschen Regimes des 20. Jahrhunderts in ihren Bann gezogen hat. Ob Freikorps oder Reichswehr, Wehrmacht oder Waffen-SS, alte oder neue Bundeswehr – in allen Wehrordnungen bildet die Frage nach der Figur des "politischen Soldaten" gleichsam die letzte Instanz, in der die unterschiedlichen Anstrengungen zur Be- wie zur Entgrenzung von Gewalt, zu ihrer Kontrolle wie zu ihrer Entfesselung zusammenlaufen.
(Stand April 2014)