Politische Konflikte um städtischen Raum in Hamburg

Verborgene Leitlinien einer europäischen Urbanität?
Projektstart: April 2010

Stadtentwicklung ist umstritten, gerade in Hamburg. Die unternehmerische Strategie der "wachsenden Stadt", deren Leitbild das vergangene Jahrzehnt Hamburger Stadtentwicklungspolitik maßgeblich prägte, stößt auf Widerspruch und an Grenzen. So positionieren sich seit Sommer 2009 zahlreiche politische Initiativen gemeinsam gegen eine Entwicklung, die von Attraktivierungsstrategien und Gentrifizierungsprozessen geprägt ist, und fordern ein "Recht auf Stadt für alle". Re-Regulationsversuche politisch-administrativer Akteurinnen und Akteure, die durch veränderte Formen von Partizipation die in Frage stehende Legitimation von Stadtplanung zu stärken suchen, scheitern regelmäßig an Interventionen, die gezielt den Rahmen einer solchen urban governance überschreiten. Was aber sind die Entstehungsbedingungen dieser antagonistischen Konstellation? Um dies zu klären, nimmt das Projekt die Praktiken stadtentwicklungspolitischer Konflikte in den Blick. Welche akteursspezifischen Vorstellungen von (europäischer) Urbanität, Stadtplanung und städtischem Raum werden im Streit um die Stadt produktiv – und welches Wissen über Stadt, ihre Bewohnerinnen und Bewohner und ihre "Entwicklung"? Entlang dieser Fragen wird ein Feld von Machtbeziehungen untersucht, das sich durch Institutionalisierungen und Interventionspraktiken konstituiert, in denen spezifische Urbanitätsvorstellungen, politische Strategien und Technologien der Wissensproduktion produktiv werden.

Gegenstand der auf Dokumentenanalysen, teilnehmenden Beobachtungen und qualitativen Interviews basierenden empirischen Untersuchung sind zwei ausgewählte Konflikte um Stadtentwicklungsprojekte, die von politisch-administrativen Akteurinnen und Akteuren initiiert wurden, und in deren Planungsprozess stadtteilpolitische Initiativen intervenierten. Gefragt wird nach den Möglichkeitsbedingungen dieser Auseinandersetzungen, und dabei nach dem Wissensrepertoire der Akteurínnen und Akteure, das ihnen normativ fundierte Positionierungen und politische Strategien nahelegt oder unplausibel macht, ermöglicht oder verunmöglicht. In den Blick kommen so akteursspezifische Rationalitäten von Stadtplanung und Stadtentwicklungspolitik ebenso wie normative Vorstellungen von Gemeinwohl. Dabei erweisen sich die diskursiven Figuren "Urbanität", "Partizipation" und "Repräsentation" sowie die Hierarchisierung von Wissen als zentrale Dimensionen der Auseinandersetzung um die "gute Stadt" und ihre Hervorbringung. Fokussiert wird so das situierte Wissen und die Handlungsrationalitäten derjenigen AkteurInnen, durch deren konflikthafte Auseinandersetzung sich Stadtentwicklung vollzieht. Die hier zu beobachtenden Kräftekonstellationen sind temporäre, aber aktualisieren und verändern in der Auseinandersetzung die spezifische Strukturiertheit des Machtfeldes der Stadtentwicklungspolitik innerhalb der demokratisch-kapitalistischen Stadt Hamburg.

(Stand August 2012)

Publikation

Konflikte um die Stadt für alle. Das Machtfeld der Stadtentwicklungspolitik in Hamburg, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2016