Die Militärelite der Bonner Republik
Die Studie konzentriert sich auf die Analyse von Selbstäußerungen aus dem höheren Offizierkorps. Um die Ausgangslage – noch vor Gründung der Bundeswehr – zu bestimmen.
wurde auf weitgehend unausgewertetes Primärmaterial des "Gruppenexperiments" (1950/51) des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und auf die Gesprächsprotokolle des deutsch-amerikanischen Sozialwissenschaftlers Hans Speier (1952-1954) zurückgegriffen. Die Analyse des Materials erlaubt Aussagen über die Stärke von Korpsbindungen und Wehrmachterfahrungen, öffnet aber auch den Blick für die generationenspezifisch differenzierte Verarbeitung dieser Herkunftsbestände. Eigene biographische Interviews mit ehemaligen Bundeswehrgeneralen setzen diesen Ansatz fort. Porträtiert werden Angehörige von fünf verschiedenen Offiziergenerationen, die zwischen 1914 und 1939 geboren wurden, unter ihnen die ehemaligen Generalinspekteure Wolfgang Altenburg und Klaus D. Naumann.
Im methodischen Ansatz des Projekts werden die je speziellen "Lebenskonstruktionen" (Heinz Bude) der Spitzenmilitärs aus ihren Lebenserzählungen herauspräpariert, um damit über den individuellen Fall hinaus Züge des generationstypischen Profils rekonstruieren zu können. Die konzeptionelle Pointe der Untersuchung besteht darin, die Eröffnungsbilanz, die sich aus den Selbstäußerungen der frühen 1950er Jahre ziehen lässt, mit den retrospektiven Lebensbilanzen der Gegenwart abzugleichen. In der Spannung der dabei zu Tage tretenden Befunde wird deutlich, welchen Weg die Angehörigen der Militärelite zurückgelegt haben, ehe sie in der parlamentarischen Demokratie ankamen. Darüber hinaus kann gezeigt werden, dass die – durchaus vorhandenen – Konflikte zwischen Politik und Militär, parlamentarischen Prozessen und mili-tärischem Denken und Handeln inzwischen kein "Überreste" aus Wehrmachttraditionen sind, sondern gleichsam den "Normalfall" eines dauerhaft spannungs- und konfliktreichen Nebeneinanders von Politik und Militär in der Demokratie beschreiben.
In theoretischer Hinsicht belegt die Studie, die keineswegs als Beitrag zu einer "oral history" verstanden werden will (wie einige Rezensenten anzunehmen scheinen), die Tragfähigkeit des Begriffs "instititutioneller Generationen". Dieses Konzept bleibt natürlich auf jenes der sozialen bzw. politischen Generationen (Karl Mannheim) bezogen, vermittelt darüber hinaus aber Einsichten in die organisationsspezifischen Prägungen der verschiedenen Akteursgruppen. Offiziergenerationen, so können die vorliegenden Befunde verallgemeinert werden, werden nicht nur den militärischen Organisationszwecken und -kulturen eingepasst, als Akteure formen sie auch selbst das Erscheinungsbild der Organisation. Dies wird anschaulich in den unterschiedlichen Selbstbeschreibungen, mit denen die Bundeswehrgeneräle auf die Aporien und Dilemmata der atomaren Konstellation des Kalten Kriegs zurückblicken.