Die RAF und der internationale Terrorismus. Eine Chronik
(In Zusammenarbeit mit Martin Jander und Thomas Skelton-Robinson)
Weder die Gründung noch der historische Verlauf der linksterroristischen Rote Armee Fraktion (RAF) lässt sich als ein rein bundesdeutsches Phänomen begreifen. Zum einen hat sich ihre Entstehung im Kontext der auseinanderfallenden 68er-Bewegung abgespielt, die nicht losgelöst von ihren internationalen Zusammenhängen zu begreifen ist. Zum anderen existieren bei Gruppierungen wie den Brigate Rosse in Italien, den Weathermen in den USA und der Roten Armee in Japan zahlreiche organisatorische wie ideologische Parallelen. Die Auffälligkeit, mit der diese im Laufe des Jahres 1970 nahezu gleichzeitig in den Untergrund gegangen sind, stellte bereits ein erstes Indiz für ein mögliches Beziehungsgeflecht dar.
Besonders entscheidend dürfte allerdings die Tatsache gewesen sein, dass sich mit palästinensischen Gruppierungen wie der Fatah und der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) hochgradig aufgerüstete Organisationen genau zu jener Zeit angeboten haben, sie in ihrer Ausbildung, Bewaffnung und Logistik dauerhaft zu unterstützen.
Daraus resultierte ein über viele Jahre hinweg funktionierender Kooperationszusammenhang, der insbesondere für die deutschen Gruppierungen – neben der RAF waren das noch die Revolutionären Zellen und die Bewegung 2. Juni – von entscheidender Bedeutung war. Ohne ihre vorherige Ausbildung in Trainingslagern der Palästinenser wären diese anfangs weitgehend handlungsunfähig gewesen. Und auf dem Höhepunkt der RAF, dem sogenannten Deutschen Herbst, ging die Unterstützung der PFLP im Oktober 1977 sogar soweit, dass eines ihrer Kommandos eine Passagiermaschine der Lufthansa entführte, um damit der Forderung nach Freilassung der in Stammheim einsitzenden RAF-Führungsspitze mehr Druck zu verleihen. Der Preis für derartige "Hilfsmaßnahmen" bestand darin, dass sich bundesdeutsche Terroristen auch immer wieder in antiisraelische Aktionen einbinden lassen mussten. Ohne es vielleicht in jeder Hinsicht zu durchschauen, hatten sich die Akteure der 68er-Bewegung damit in den Nahostkonflikt verstrickt, der wiederum bis zu einem gewissen Grad Teil des Ost-West-Konflikts war.
Insofern darf eine Chronologie des linken Terrorismus nicht auf die Bundesrepublik beschränkt bleiben, sondern muss international ausgerichtet werden. Neben der Rekapitulation der einzelnen terroristischen Aktionen, soll mit einer detaillierten Darstellung der staatlichen Reaktionen und ihres Echos in Presse, Funk und Fernsehen den bisherigen Defiziten in der historischen Literatur Abhilfe geschaffen werden.
(Stand Oktober 2014)