Öffentliche Güter und Wohlstandskonflikte.

Für eine neue Soziologie des Wohlfahrtsstaates
Projektstart: Januar 2012

Das Forschungsvorhaben, das in Kooperation mit dem Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) von 2012 bis 2014 an der Georg-August-Universität Göttingen durchgeführt wurde, betrachtete öffentliche Güter unter einer doppelten Perspektive: als normative Prinzipien der Gesellschaftsgestaltung und als selektive Strukturen sozialer Ordnung.

Dabei zeigte sich erstens, dass öffentliche Güter entscheidend zur Handlungsfähigkeit gesellschaftlicher Akteure beitragen. Das gilt mit Blick auf das Vorhandensein technischer und sozialer Infrastrukturen, auf Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge oder auch auf den Bestand einer funktionsfähigen Verwaltung. Das saubere Wasser, die überall verfügbare Elektrizität, eine transparente Verwaltung und die Gewissheit, sich ungefährdet im öffentlichen Raum bewegen zu können – das sind in globalem Maßstab alles andere als Selbstverständlichkeiten.

Zweitens wurde im Rahmen des Projekts deutlich, dass es auch auf die gesellschaftlichen Akteure selbst ankommt - diejenigen, die öffentliche Güter tragen, gestalten und zum Leben erwecken: die Lehr- und Pflegekräfte, die Techniker und Verwalter, die Sicherheits- und Versorgungskräfte, aber auch die ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger in Vereinen, Kirchen und Interessenverbänden. Sie alle verwirklichen durch ihr Engagement und ihr professionelles Handeln öffentliche Güter und tragen damit entscheidend zur Fundierung eines demokratischen Gemeinwesens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei. Infrastrukturen, Verwaltungseinheiten und Dienstleistungen leben nicht nur aus einer abstrakten Rechtsordnung heraus, sondern sie werden vom normativen Konsens derer getragen, die sie nutzen, vor allem aber derer, die sie ausfüllen und ihnen Gestalt geben. Die aktuelle Energiewende in einer Reihe von Industrienationen ist hierfür ein gutes Beispiel.

Das Projekt demonstriert drittens: Öffentliche Güter sind Gegenstände neuer Wohlstandskonflikte, die bei knappen staatlichen und kommunalen Ressourcen an Bedeutung gewinnen. Ihre Verteilung ist in Zeiten schrumpfenden Wachstums problematisch. Es geht um Verteilungs- und Klassifikationskämpfe, um Gemeinwohl und Partikularbedürfnisse, sowie um Privilegien und Belastungen. Öffentliche Güter sind nicht nur Ausdruck sozialer Ausgleichsbereitschaft, sie sind Konfliktgegenstand zwischen denjenigen, die Veränderungen forcieren oder tragen, erdulden oder akzeptieren, verhindern oder blockieren.