Herbert Wehner – Moskau 1937
(Stand April 2004)
In der abgeschlossenen Untersuchung "Herbert Wehner – Moskau 1937" konnte durch die Auswertung neu erschlossener Quellen in Berliner und Moskauer Archiven die Rolle Herbert Wehners in Moskau während des Jahres 1937 umfassender nachgezeichnet werden. In der Auseinandersetzung mit Wehners autobiographischer Selbstinszenierung und der ihm folgenden Hagiographie werden seine Tätigkeit als NKWD-Informant und »wachsamer« Komintern-Funktionär in der Zeit des "Großen Terrors" genauer analysiert. Dabei zeigt der Vergleich von Wehner-Texten über die "trotzkistische Wühlarbeit" und einem NKWD-Direktivbrief zur Verfolgung der "deutschen Trotzkisten", dass Wehners schriftliche und mündliche Informationen zur Verfertigung eines NKWD-Befehls beitrugen, der zur Verhaftung und Erschießung zahlreicher deutscher Emigranten führte.
In die Analyse werden auch die vorgängige Stigmatisierung durch KPD- und Komintern-Instanzen, die parteiamtliche Kontroll- und Verfolgungspraxis wie auch die permanente Kooperation der Kaderabteilung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale mit dem NKWD einbezogen. Gefragt wurde sowohl nach Wehners persönlicher Gefährdung in der gegen ihn angestrengten "Parteiuntersuchung" und wie auch nach den Folgen seiner viermaligen Lubjanka-Besuche für deutsche Emigranten. Auch in der scheinbaren Anonymität von ideologischer Selektion, bürokratischer Menschenverwaltung und terroristischer Vernichtung sind individuelle Verantwortungsebenen und Verhaltensweisen auszumachen. Wehners autobiographische Schönschrift, in der er sich zum inwendigen Partisanen, zum Opfer und mitfühlenden Helfer stilisierte, kann als inszenierte Erinnerung wohl kaum länger unbesehen reproduziert werden.