Das Dienstleistungsproletariat

Projektstart: Januar 2009

Mit dem vieldiskutierten Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist der Industriebetrieb nicht mehr der einzige maßgebliche Verdichtungspunkt gesellschaftlichen Wandels. Neben ihn tritt in modernen Ökonomien zunehmend tertiäre Arbeit. Deren Bedeutungsgewinn ist bis heute mit großen Hoffnungen verbunden. Jenseits der Routinen industrieller Produktion nimmt mit Dienstleistungsarbeit die Erwartung an eine neue Sinnhaftigkeit von Arbeit, persönlicher Autonomie und sozialen Aufstieg zu. Die Expansion der tertiären Dienste führte allerdings nicht dazu, dass nur der Sozialtyp des Wissensarbeiters entstand, der in Umwelten humaner Arbeit intelligente und gut entlohnte Tätigkeiten vollzieht. Den spezialisierten Zentren hochproduktiver Wissensökonomien stehen heute die einfachen Dienstleistungen gegenüber, in denen entleerte Tätigkeiten, harte körperliche Beanspruchung und Niedriglöhne dominieren. Gebäudereinigung, Postdienste, Sicherheitslogistik und Discount zählen zu den Wachstumsbranchen des bundesrepublikanischen Arbeitsmarktes. Die Arbeits- und Lebenswelten der hier Beschäftigten haben einen eigenen Zuschnitt von Arbeitsvollzügen, Herrschaftsmustern und Gesellschaftsbildern, der sich sowohl von der klassischen Industriearbeiterschaft, als auch von der Gruppe der Angestellten und Wissensarbeiter unterscheidet. Haben wir es hier mit einem postindustriellen Proletariat zu tun?

(Stand März 2014)

Im September 2014 ist Friederike Bahls Buch Lebensmodelle in der Dienstleistungsgesellschaft in unserem Verlag Hamburger Edition erschienen.