Umstrittene Gewaltverhältnisse
Das Projekt geht von zwei grundlegenden Fragen aus: (1) Welchen Beitrag können gewaltsoziologische Studien für eine zeitgemäße Theorie von Gesellschaft leisten? (2) Inwiefern ermöglichen gesellschaftstheoretische Fragestellungen ein vertieftes Verständnis von Gewalt? Diese Fragen sind an sich nicht neu. Spätestens seit Ende der 1990er Jahre wird zumindest in der deutschsprachigen Forschung intensiv darüber diskutiert, dass die Gewaltsoziologie kaum relevante gesellschaftstheoretische Bezüge aufweist. Zugleich wird oft moniert, dass die soziologische Gesellschaftstheorie dem Phänomen „Gewalt“ bislang keine oder allenfalls sehr geringe Aufmerksamkeit schenkt. Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, beide Fragen mit Hilfe von Vergleichsstudien zu bearbeiten. Es geht darum, empirische, methodologische und gesellschaftstheoretische Erkenntnisinteressen systematisch miteinander zu verknüpfen. Gewalt wird dabei als kontextspezifisches Phänomen begriffen, das sich definitorisch nicht auf einen einfachen Nenner bringen lässt.
Das Projektdesign schließt dafür an drei Stränge der aktuellen Gewaltforschung an, die sich bislang ohne nennenswerten Bezug zueinander entwickelt haben. Den ersten Strang bildet die situationistische Gewaltforschung, in der Gewalt primär als unmittelbare leibliche Interaktion thematisiert wird. Der zweite Strang besteht aus sozial- und gesellschaftstheoretischen Entwürfen, die der legitimierenden Funktion des Dritten eine zentrale Stellung einräumen und somit dyadische Konzeptionen von Gewalt (Täter/Opfer) zu einem triadischen Ansatz erweitern (Antun/Erleiden/Beobachten). Der dritte Strang umfasst schließlich Arbeiten, die auf eine Soziologie politischer Gewalt hinauslaufen und die für eine stärkere Verschränkung von Terrorismus- und Bewegungsforschung plädieren.
Das empirische Augenmerk liegt auf drei Phänomenbereichen, die wir vorerst als rechte Gewalt, häusliche Gewalt sowie als Gewalt im Kontext von Protestkundgebungen bezeichnen. Die Wahl dieser Forschungsfelder ist sowohl methodisch als auch theoriestrategisch begründet. In methodischer Hinsicht erlaubt diese Auswahl eine vergleichende Vorgehensweise über unterschiedliche Gewaltformen hinweg. In theoriestrategischer Hinsicht verspricht diese vergleichende Perspektive auf die gewählten Forschungsfelder, das Verhältnis von Gewalt und sozialer Ordnung in den Mittelpunkt rücken und auf diese Weise beide Ausgangsfragen miteinander verschränken zu können.
„Umstrittene Gewaltverhältnisse. Die umkämpften Grenzen verbotener, erlaubter und gebotener Gewalt in der Moderne“ ist ein Forschungsprojekt der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur in Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung.
Neben dem an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, kurz WIKU, angesiedelten Projektteam sowie der Forschungsgruppe "Makrogewalt" am HIS ist ein Netzwerk von unabhängigen Forscher*innen beteiligt, mit eigenen empirischen Arbeiten oder in beratender Tätigkeit.
Projektleitung
Eddie Hartmann
Stellvertretende Projektleitung
Thomas Hoebel
Stefan Malthaner
Wissenschaftliche Mitarbeit
David Schultz